Puschendorf: Der 9-Uhr-Zug fährt wieder

12. 12. 2019

 

Werner Boguth, der seit vielen Jahren zweimal im Monat einen Wanderausflug für Puschendorfer Senioren organisiert, war bei der Planung seiner nächsten Tour stutzig geworden: Die Abfahrtszeit der Regionalbahn R 1 in Richtung Fürth und Nürnberg war mit der Umstellung des neuen Fahrplans am kommenden Wochenende von 9 Uhr "still und leise ohne Ankündigung" auf 8.58 Uhr verschoben worden.

 

Was nach einer Lappalie klingt, hat aber für Nutzer einer MobiCard mit Ausschlusszeit oder eines Bayern-Tickets weitreichende Konsequenzen. Diese Fahrkarten dürfen nämlich vor 9 Uhr nicht benutzt werden, so steht es in den Tarifbestimmungen. Wer es trotzdem macht, tritt formal die Reise ohne gültigen Fahrschein an und muss entsprechende Strafen fürchten. Die automatische Fahrplanauskunft empfiehlt daher einen gewaltigen Umweg: Start um 9 Uhr zunächst in Richtung Emskirchen, also entgegengesetzt. Und dort der Umstieg in den nächsten Regionalexpress aus Würzburg. Damit bräuchte man aber für die Strecke deutlich länger: 46 Minuten nach Fürth, 54 Minuten nach Nürnberg. Im Normalfall dauert die Fahrt zum Nürnberger Hauptbahnhof nicht einmal halb so lang. Wegen Befahrens einer weiteren Tarifzone ist diese Variante allerdings sowieso nur für Besitzer einer "großen" MobiCard, die für sämtliche Tarifzonen gilt, möglich. Alternative wäre die Nutzung des Zuges eine Stunde später.

 

Dies sei aber sowohl für Werner Boguth und seine Senioren wie für viele Berufstätige nicht akzeptabel, meint der Wanderführer. Einer der Pendler ist Thomas Schürmann, der täglich entweder nach Nürnberg oder Erlangen fahren muss. Er müsste, das hat er bereits ausgerechnet, wegen dieser zwei Minuten statt 77,10 Euro zukünftig fast das Doppelte, nämlich 147,60 Euro jeden Monat und mehr für die Fahrt zur Arbeit bezahlen.

 

Risiko abgewogen

Er hat bereits abgewogen, ob das Risiko des Schwarzfahrens bis zum nächsten Bahnhof in Siegelsdorf oder die Anreise per Auto zum dortigen Park+Ride-Parkplatz für ihn stressfreier wäre. Schürmann meint, dass es gesamtgesellschaftlich erwünscht sei, den Individualverkehr zugunsten des Klimas einzuschränken. Da sei es einfach "kontraproduktiv, wenn jeder Puschendorfer mit dem eigenen Auto zum Bahnhof Siegelsdorf anreist", meint er. Und darin sind sich Schürmann und Boguth völlig einig: Man würde zudem wegen des knappen Parkplatzangebots rund um den Bahnhof in Siegelsdorf sogar noch deutlich mehr Zeit einplanen müssen.

 

Auch der von Boguth alarmierte Puschendorfer Bürgermeister Wolfgang Kistner redete sich schnell in Rage. "Es kann doch nicht sein, dass irgendwelche Sachbearbeiter in Behörden und Unternehmen die Bemühungen von uns Politikern einfach zunichtemachen", sagt Kistner, der sich vor Jahren persönlich dafür eingesetzt hatte, dass der "9-Uhr-Zug" auch pünktlich um 9 Uhr und keine Minute früher abfährt. Denn selbst bei einer mehrminütigen Verspätung der Bahn gelten für die mitgeführte Fahrkarte die Bedingungen der planmäßigen Abfahrtszeit. Das hatte Kistner schon früher zu hören bekommen.

 

Als Begründung für die Fahrplanänderung wurde ihm jetzt von der Deutschen Bahn mitgeteilt, dass damit einem Güterzug Priorität eingeräumt werden sollte, der eben zur fast gleichen Zeit die Strecke befährt.

 

Während des Puschendorfer Adventsmarkts am Samstag hatte diese Fahrplanänderung unter den Bürgern weiter die Runde gemacht und zusätzliche ärgerliche Kommentare hervorgerufen. Gleichzeitig hatte man gemeinsame Aktionen überlegt, mit denen man die Bahn zur Zurücknahme ihrer Fahrplanänderung bringen könnte.

 

Doch nun die überraschende Wende: Im Rathaus erhielt Bürgermeister Kistner den befreienden Anruf und von der Pressestelle der Bahn aus München kam die bestätigende Nachricht für alle Betroffenen: Die Deutsche Bahn nimmt die Fahrplanänderung in diesem einen Punkt für die Regionalbahn 58793 zurück und ändert die Abfahrtszeit wieder auf den örtlichen Fahrplanaushängen, ebenso im Internet: Der 9-Uhr-Zug fährt wieder.

 

Bild zur Meldung: Zwei Minuten können einen großen Unterschied am Puschendorfer Bahnhof machen. Doch auf Druck von Bürgermeister Kistner ist die Bahn wieder zurückgerudert und bleibt bei den bewährten Abfahrtszeiten.