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& Dorfschreiber

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Nur Narr Contz durfte ungestraft witzeln

05. 04. 2023

ERLEBNISMUSEUM - Unter dem Jahresmotto "Närrische Zeiten" wartet die Cadolzburg mit Aktionen und Themenführungen auf.

CADOLZBURG – Narreteien und das befreite Lachen über Missstände in Gesellschaft und Politik sind keine Erscheinungen der Neuzeit, sondern gab es schon im Mittelalter. Darauf möchte die Bayerische Schlösserverwaltung mit Veranstaltungen um das Jahresmotto „Närrische Zeiten“ auf der Burg Cadolzburg aufmerksam machen.

Zum Einstieg präsentierte Kuratorin Uta Piereth aus München bei einer Spezialführung die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit zur Rolle des Narren auf der Cadolzburg. Am Beispiel des historisch belegten Narren Contz in der Mitte des 15. Jahrhunderts möchte die promovierte Historikerin beweisen: Narren erfüllten mit ihrem ungewöhnlichen Treiben in nahezu allen europäischen Herrschaftshäusern des Mittelalters die Funktion der Stabilisierung des herrschenden Systems. Sie durften ungestraft Witze reißen und den Herrscher – vermutlich als eine der Wenigen – kritisieren.

Auf den Narren Contz waren die Museumsmacherinnen bei der Konzeption für das Burgerlebnismuseum vor einigen Jahren gestoßen und hatten ihn zur Leitfigur des Museums gemacht. Sein Konterfei mit zweifarbigen Narrenkostüm, klingenden Glöckchen und Schellen an Narrenkappe, Arm und Beinen sowie einem Narrenstab mit Eselsohren führt seit 2017 alle Besucher durch die generalsanierte Hohenzollernburg und ist auf nahezu allen Veröffentlichungen zu finden.

Die genaue Ausgestaltung der Narrenfigur habe man damals an einen Illustrator in Auftrag gegeben, der die Vorgaben der Historiker umgesetzt hat. Nicht sofort auf den ersten Blick zu erkennen ist die Tatsache, dass der Narr eine Brille trägt. Ein Gegenstand, der in jener Zeit nur ganz wichtigen Persönlichkeiten zuteilwurde, die gleichzeitig auch belesen waren. Dieses Utensil und die Tatsache, dass dem Narr Contz als einziger auf der Burg neben dem Kurfürsten Albert Achilles erwiesenermaßen ein Einzelgemach zugeteilt worden war, belegt für die Forscher das enorme Ansehen des Narren. Die verwendeten Farben seines kontrastreichen Gewands, nämlich Rot und Hellblau, entsprechen dagegen eher nicht den historischen Tatsachen, sondern mehr dem modernen Empfinden für ein knalliges Outfit. Vermutlich waren die Narren in den heraldischen Farben ihrer Herrscher gekleidet. Für das Geschlecht der Hohenzollern waren dies Schwarz und Weiß, genaugenommen Silber. 

Die Mächtigen jener Zeit umgaben sich gerne mit Menschen, die als Narren oder „Zwerge“ physisch oder psychisch, in ihrem Aussehen, mit ihrer Mimik und Gestik anders waren und somit außerhalb der göttlichen Weisheit und der gesellschaftlichen Ordnung standen. Sogenannten „Schalksnarren“ konnten ungestraft Dinge äußern, die eigentlich ungebührlich waren. Sie machten sich über sich selbst und andere, womöglich gar über feststehende Regeln lustig. Durch ihr Lachen konnten sie kritische und heikle Situationen entschärfen und trugen damit zum Zusammenhalt unter den Lachenden bei. Vermutlich zählte Heiterkeit und Gelächter zu den praktizierten Herrschertugenden, geboren aus einer wohlkalkulierten Klugheit, darin sind sich die Forscher einig.

Die Narren jener Zeit übernahmen gewissermaßen eine Ventilfunktion für den Widerstand und den Unmut in der Bevölkerung und damit gleichzeitig systemstabilisierend. „Mit feiner Wortgewalt und wachem Geist konstruktiv Kritik zu üben, ist auch heute noch wichtig“, sagte Piereth.

Ziemlich sicher entspringt die Erlaubnis der Kirche und der Herrschenden, für einige Tage zur Faschingszeit vor der damals viel strenger als heute reglementierten Fastenzeit über die Stränge zu schlagen und lustig zu sein, genau diesem berechnenden Kalkül für den Erhalt von „Zucht und Ordnung“, meint die Kunsthistorikerin.

Die gesamte Sommersaison über bietet das Erlebnismuseum Cadolzburg viele weitere Aktionen und Themenführungen zum Jahresmotto „Närrische Zeiten“. Dazu ein sommerlicher Poetry Slam, eine Fotostation und eine Humorbühne, bei der sich die Besucher einbringen können: mit Witzen, Karikaturen, Fotos, Zeichnungen oder Videos mit „höfischen“ oder „närrischen Tänzen“. Beim Familientag am 3. September werden die besten Einsendungen prämiert und die witzigsten Narreteien zur Aufführung kommen. 

 

Bild zur Meldung: Eine erste Führung zum Jahresmotto "Närrische Zeiten" bot Museumskuratorin Uta Piereth an. Dabei ging es unter anderem um historische Tänze. Eine Videostation leitet die Gäste bei den Tanzschritten an.